Amt Emster-Havel
 
  Jeserig  
     
 
 

Stolz und Wehmut liegen dicht beieinander

 
 

Für Hans-Dieter Säger steht fest: nach zehn Jahren ist Schluss. Zehn Jahre als Bürgermeister reichen. Es war eine spannende Zeit, sie war aber auch enorm anstrengend. Das selbst gewählte Ende seiner Amtszeit fällt möglicherweise mit der zwangsweise verordneten Schließung des Amtes Emster-Havel zusammen. Für den 58jährigen Bauingenieur also gleich zweifach Gelegenheit, Bilanz zu ziehen.Hans-Dieter Säger, klingt das nach Amtsmüdigkeit?

Ja, ein wenig schon. Das Bürgermeisteramt ist ehrenamtliche Tätigkeit, liegt also vorrangig in der Freizeit. Anfangs war ich Feuer und Flamme, wir hatten viele Vorhaben, kamen zügig vorwärts, weil auch Fördermittel großzügig verteilt wurden. Aber sehr schnell habe ich gemerkt, dass man ein solches Amt nicht mit links führen kann. Und ich mache nicht gerne halbe Sachen.
Niemand sagt dir, wie du zu sein hast als Bürgermeister, was richtig oder falsch ist. Du machst deine Erfahrungen alleine, und die können dann eben auch total falsch sein, obwohl du nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden und gehandelt hast. Es gab keine Schulung, keine Anleitung. Oft hing man in der Luft, weil keiner die Rechtslage erklären konnte. Ich bin schon froh, dass ich es geschafft habe, alle Amtsblätter und neuen Gesetze quer zu lesen, damit mir das Wesentliche nicht entgeht.

Die meisten der 1.150 Jeseriger waren aber zufrieden mit ihrem Bürgermeister Hans-Dieter Säger, sonst hätten sie Sie 1998 nicht wieder gewählt!
Das stimmt schon. Mein Vorteil war einfach, dass ich hier alle kenne und mich auch alle kennen. Ich bin hier geboren und auch groß geworden, wohne seit 56 Jahren in Jeserig und habe seit 1966 an fast jedem Haus im Ort irgendwelche Umbauten, Anbauten oder Neubauten vorgenommen.
Aber das ändert nichts an meinem Entschluss. Gerne arbeite ich weiter im Gemeinderat, aber den Dorf-Chef-Hut, den gebe ich ab.

Stiefmütterchen im Dorf. Aber die Jeseriger selber lassen sich nicht stiefmütterlich behandeln

Worauf sind Sie denn besonders stolz in den zehn Jahren Amtszeit?
Wir können zwar nicht hinter allem, was wir gerne geschafft hätten, einen Haken machen. Aber verstecken müssen wir uns auch nicht.
Zur positiven Bilanz zählt, dass wir für Unternehmen aller Art beste Voraussetzungen in unserem Gewerbegebiet Preußenpark geschaffen haben. Der ist vollständig erschlossen, nur leider hat es mit den Ansiedlungen nicht in den gewollten Größenordnungen ge-klappt. Das wirkt sich natürlich nicht so sonderlich positiv auf unseren Gemeindhaushalt aus. Deshalb sind wir mächtig stolz über unsere beiden Gewerbe-Aushängeschilder Mc Möbel und ROMA Rollladenbau, die hier in Jeserig ihren Sitz haben. Wir hatten auf den Ausbau der Fernverkehrsstraße B1 gehofft, was ohne Zweifel gewerbeansiedlungsfördernd gewesen wäre. Für Mitte der 90er geplant, soll das nun wohl 2004 in Angriff genommen werden, wie ich hörte. Positiv für Jeserig ist ohne Zweifel auch, dass unser Dorf die Zentrale für alle zum Amt gehörenden Gemeinden geworden ist und damit das neue, schöne Amts-Verwaltungsgebäude bauen konnte.
Alle Straßen in Jeserig-Siedlung haben Straßenbeleuchtung bekommen, im Dorf sind wir damit noch nicht so weit. Das ist leider wie so oft eine Geldfrage.
Auch an Jeserig ist der Einfamilienhaus- Bau- Boom nicht vorbeigezogen. Wir haben zwar nicht wie in der Nachbargemeinde Schenkenberg eine große zusammenhängende Neubausiedlung, dafür aber durch Lückenbebauung in den alten gewachsenen Dorfkern und in der Siedlung überall einzelne kleine schmucke neue Häuschen, mehr als 70 an der Zahl. Damit konnte Jeserig seinen Dorfcharakter erst so richtig ausprägen. Vorher waren die Grundstücke sehr groß, die Häuser weit auseinander. Mittlerweile kann jeder Einwohner, wenn er möchte, Telefon und Gasanschluss bekommen. Das ist nicht billig, aber Annehmlichkeiten haben eben ihren Preis. Auch in unserem Dorf sorgen einige Vereine für reges gesellschaftliches Leben: der Angelverein, die Feuerwehr, die Volkssolidarität oder aber auch der Kleintierzüchterverein. Und auch darauf bin ich stolz: Es ist zur Tradition geworden, dass ich persönlich jedem Jubilar ab 75 zu jedem Geburtstag mit einem Blumenstrauß gratuliert habe.

Welches sind nun die Dinge, die Sie nicht mit einem Haken versehen konnten?
Wirklich traurig macht mich, dass wir es nicht geschafft haben, unsere Jugendlichen ins Dorfleben zu integrieren. Obwohl wir einen zentralen Platz bereitgestellt, dort eine Tischtennis-Platte installiert und ein Häuschen als gemütlichen Unterschlupf gebaut haben. Davon existierten kurz nach Fertigstellung nur noch die Reste, alles war kurz und klein geschlagen. In den 70ern hat das funktioniert. Da hat die LPG ein Einfamilienhaus gebaut und dort den Jugendklub einziehen lassen. Wir haben dieses Haus renoviert, aber vorgezogen, es als Bürgerhaus zu nutzen. Jetzt finden dort Veranstaltungen der Schule, der Volkssolidarität und der Vereine statt. Es kann aber auch für private Feiern genutzt werden.
Mit der Ordnung und Sauberkeit in Jeserig bin ich nicht so zufrieden. Ich brauche keinen gefegten Ort, aber es wird zu viel kaputt gemacht. Das liegt dann rum und ist unansehnlich - da beneide ich meinen Kollegen Heinz Schäfer in Wust um seinen Gemeindearbeiter.

Hans-Dieter Säger, auch Jeserig beteiligt sich an der Verfassungsbeschwerde gegen das Land Brandenburg für die Erhaltung des jetzt bestehenden Amtes Emster-Havel. Was treibt Sie um?
Ich will nicht nur für die Jeseriger die günstigste Variante. Die jetzige ist aber meiner Meinung nach für alle noch zum Amt gehörenden Gemeinden die beste. Seit zwei Jahren beschäftigt uns das Thema, und seit zwei Jahren kommen wir nicht mehr entscheidend vorwärts. Die einen wollen raus aus dem Amt und ziehen in eine Richtung, die anderen wollen bleiben und ziehen in die andere. Das Ergebnis ist Stagnation für alle Dörfer. Beide Seiten haben sich völlig verrannt, sind kaum noch konstruktiv, und genützt hat es niemandem.
Es sollte alles so bleiben, wie es ist. Wir behalten das Amt, jede Gemeinde ihren Haushalt, über den sie bestimmen kann und gut ist. Und wenn schon Auflösung und Neustrukturierung, dann doch bitte mit Sachverstand und nicht, wie es bei uns läuft, immer über die Köpfe der Betroffenen hinweg.
Gegen ein gemeinsames großes Amt aus Emster-Havel und Groß Kreutz haben wir übrigens auch nichts einzuwenden.

 

 
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